Bürgermeister Axel Tschersich, Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen, Auszubildende der Stadt Recklinghausen sowie Schüler*innen zweier Recklinghäuser Schulen, haben sich jetzt erneut zu einer Stolperstein-Putzaktion getroffen.

 „In Recklinghausen hat sich über viele Jahre hinweg eine ausgeprägte Gedenkkultur entwickelt. Die Stolpersteine sorgen dafür, dass wir an jedem einzelnen Tag der Opfer gedenken. Es ist unsere Aufgabe, die Erinnerung an diese Menschen wachzuhalten, das Geschehene niemals zu vergessen. Die Gedenktafeln sind ein ständig sichtbares Zeichen gegen den aktuell wieder stärker aufkeimenden Antisemitismus, gegen Hass, Ausgrenzung und Hetze“, betonte Bürgermeister Tschersich.

Der Bürgermeister reinigte an der Bochumer Straße 111 gemeinsam mit der Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen sowie städtischen Auszubildenden und Schüler*innen des Theodor-Heuss-Gymnasiums (THG) und der Käthe-Kollwitz-Schule (KKS) die Stolpersteine der Familie Markus. Im weiteren Verlauf des Tages wurden unter anderem auch die Stolpersteine am Polizeipräsidium geputzt.

„Diese Stolpersteine erinnern daran, dass es der Nazi-Diktatur gelungen ist, die Polizei für ihre menschenverachtenden Ziele einzusetzen. Albert Funk und Heinrich Vörding starben nach Fensterstürzen aus dem Polizeipräsidium. Der heutige Weg ins Gebäude führt an diesen Stolpersteinen vorbei und erinnert an die Qual und Folter, denen die beiden Männer vor ihrem Tod ausgesetzt waren“, so Polizeipräsidentin Zurhausen.

Aktuell gibt es 50 Stolpersteine und eine Stolperschwelle. Nach einem Ratsbeschluss im Jahr 2014 kommen jährlich weitere nach Beratung in einer Arbeitsgemeinschaft unter Vorsitz des Bürgermeisters hinzu. „Es ist wichtig, dass wir mit diesen Steinen an die Opfer der Nazi-Diktatur erinnern. Wir haben die Pflicht, auf das Schicksal der Menschen aufmerksam zu machen, ihnen ein Gesicht zu geben und die Erinnerung wachzuhalten. Damit das, was geschehen ist, nie wieder passiert“, so Bürgermeister Tschersich.

Die Steine an der Bochumer Straße 111 erinnern an die Familie Markus – an Felix Markus, seine Ehefrau Julie Markus, deren Töchter Dina und Martha Markus und an Heinrich Hanau, den Bruder von Julie Markus. Die Familie gehörte zu den alteingesessenen Poahlbürgern der Stadt. Die Brüder Alex, Felix und Robert Markus betrieben mit ihren Ehefrauen Obst- und Gemüsegeschäfte in der Innenstadt, in Süd und auf dem Wochenmarkt. 1941 musste die Familie ihr Haus an der Bochumer Straße 111 verlassen und wie alle Jüdinnen und Juden in eins der fünf Ghettohäuser der Stadt ziehen. Am 24. Januar 1942 erfolgten die Deportationen von insgesamt 95 Erwachsenen und zehn Kindern aus den fünf Häusern in das Ghetto Riga. Das Ghetto war ein abgesperrter Bereich der lettischen Hauptstadt Riga, in dem die Nationalsozialisten Jüdinnen und Juden internierten. Fast alle wurden im Lager, in den angrenzenden Wäldern oder benachbarten Konzentrationslagern ermordet. An die Deportierten erinnert seit Ende September auch eine Gedenkhaltestelle an der Kemnastraße unweit des Hittorf-Gymnasiums und einem der ehemaligen Ghettohäuser an der Paulusstraße 6. Der Zeitpunkt des Todes von Heinrich Hanau, Julie und Felix Markus in Riga kann nicht mehr bestimmt werden. Dina Markus wurde 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Einzige Überlebende war die damals 22-jährige Martha Markus. Nach ihrer Rückkehr nach Recklinghausen musste sie den Tod von 24 Familienmitgliedern beklagen, davon stammten drei aus der unmittelbaren Verwandtschaft von Ludwig de Vries, den sie in Recklinghausen heiratete. Ludwig und Martha de Vries gehörten zu den wenigen überlebenden Gemeindemitgliedern, die jüdisches Leben nach der Shoah in Recklinghausen wieder aufbauten. 1948 stiftete das Ehepaar das Mahnmal der Holocaust-Opfer auf dem Jüdischen Friedhof. Ludwig de Vries leitete bis zu seinem Tod 1958 die Gemeinde. Martha de Vries wurde 1988 neben ihrem Mann auf dem Jüdischen Friedhof beigesetzt.

Das Projekt Stolpersteine:

Mit dem Kunstprojekt erinnert Gunter Demnig seit den 1990er Jahren an die Opfer des Nationalsozialismus (NS). Im Boden verlegte Messingtafeln, sogenannte Stolpersteine, gedenken der Menschen, die in der NS-Zeit verfolgt, deportiert, vertrieben, ermordet oder in den Suizid getrieben wurden. Die Steine werden meist vor dem letzten frei gewählten Wohnort der NS-Opfer in den Fußweg eingelassen. Sie sollen an das Schicksal einzelner Menschen erinnern. Jeder Stein trägt bewusst nur den Namen eines NS-Opfers. Der Künstler setzt so ein Zeichen gegen die Ideologie der Nationalsozialisten, die Menschen zu einer Nummer machen wollten. Inzwischen liegen rund 116.000 Stolpersteine in mehr als 1.800 Kommunen in 31 europäischen Ländern. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, zitiert Gunter Demnig den Talmud. Weitere Informationen gibt es auch online unter www.stolpersteine.de.

In Recklinghausen wurden 2008 die ersten beiden Stolpersteine vor dem Präsidium am Westerholter Weg verlegt, die an Albert Funk und Heinrich Vörding erinnern. Die Biografien sind im Online-Gedenkbuch der Stadt zu finden. Das Projekt soll vor allem auch junge Menschen zur Beschäftigung mit konkreten Lebenswegen motivieren. Das Projekt Stolpersteine wird von VHS der Stadt Recklinghausen betreut.

Pressefoto:
Bürgermeister Axel Tschersich und Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen putzten zusammen mit Auszubildenden der Stadt sowie Schüler*innen des Theodor-Heuss-Gymnasiums (THG) und der Käthe-Kollwitz-Schule (KKS) die Stolpersteine an der Bochumer Straße 111. Foto: Stadt RE