Am Hittorf-Gymnasium ist eine gewöhnliche Bushaltestelle zu einem besonderen Ort geworden: ein Ort des Innehaltens, des Lernens und des Erinnerns. Auf Antrag der Ratsfraktionen von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen beschloss der Rat der Stadt Recklinghausen im Juli die Einrichtung einer sogenannten „Gedenkhaltestelle“, die am Montag, 29. September, offiziell eingeweiht wurde.
„Mit dieser Haltestelle wollen wir im Schulterschluss von Verwaltung, Politik und Stadtgesellschaft ein deutliches Zeichen gegen das Vergessen der Verbrechen des Nationalsozialismus und gegen die Zunahme antisemitischer Angriffe in Deutschland setzen. Gerade junge Menschen sollen verstehen, wohin Hass und Ausgrenzung führen können“, betonte Bürgermeister Christoph Tesche im Rahmen der Einweihung.
Am 24. Januar 1942 wurden jüdische Recklinghäuser*innen von fünf sogenannten Ghettohäusern abgeholt und über Gelsenkirchen und Dortmund nach Riga deportiert. Dort wurden sie in den Wäldern erschossen, fielen den Massenmorden bei der Auflösung des Ghettos 1943 zum Opfer oder starben in Konzentrationslagern. Die Haltestelle „Hohenzollernstraße“, unweit des ehemaligen Ghettohauses in der Paulusstraße 6 und direkt neben dem Hittorf-Gymnasium gelegen, wurde bewusst ausgewählt. Sie liegt an einem stark frequentierten Ort, an dem besonders junge Menschen täglich vorbeikommen. Laut Zahlen der Vestischen steigen an der Haltestelle „Hohenzollernstraße“ der Linie 239 täglich im Tagesdurchschnitt 251 Personen ein- und aus – in der Gegenrichtung (stadteinwärts) sind es sogar 470 Personen. Künftig ist sie mehr als nur eine Haltestelle – sie wird zum Lern- und Erinnerungsort, der mahnt, die Gräueltaten der Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Mit der Einweihung geht die Haltestelle gleichzeitig in die Patenschaft des Gymnasiums über.
An der Planung, Gestaltung und Ausführung dieses Projektes haben neben der Arbeitsgemeinschaft Stolpersteine, den beteiligten Parteien, der Jüdischen Kultusgemeinde, dem Verein für Orts- und Heimatkunde, der Volkshochschule, dem Stadtarchiv, Lehrkräfte und eine Schülerin des Hittorf-Gymnasiums, die Vestische und der Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge, mitgewirkt. Dabei fiel die Wahl auf eine fragmentarische Textgestaltung, die den Blick der Passant*innen einfängt und Fragen aufwirft. Ergänzt wird der Erinnerungsort durch QR-Codes, die weiterführende Informationen bieten – etwa zum Städtebündnis Riga-Komitee oder zur Biografie der Familie Aron, die aus einem Recklinghäuser Ghettohaus nach Riga verschleppt wurde.
Mit der Gedenkhaltestelle wird Geschichte sichtbar in den Alltag der Stadt integriert. Sie zeigt: Erinnerungskultur in Recklinghausen bedeutet nicht nur das Verlegen von Stolpersteinen, sondern auch das Schaffen neuer Formen des Gedenkens im öffentlichen Raum. Der Ort steht für Aufklärung, Solidarität und Verantwortung – und dafür, dass das Schicksal der Opfer des Nationalsozialismus nicht in Vergessenheit geraten darf.
Pressefoto: Bürgermeister Christoph Tesche weihte zusammen mit zahlreichen Vertreter*innen der Verwaltung sowie mit Schüler*innen und Lehrkräften des Hittorf-Gymnasiums, mit Vertreter*innen der Arbeitsgemeinschaft Stolpersteine, der beteiligten Parteien, der Jüdischen Kultusgemeinde, des Vereins für Orts- und Heimatkunde, der Volkshochschule, des Stadtarchivs, der Vestischen und des Volksbunds Deutscher Kriegsgräberfürsorge die Gedenkhaltestelle vor dem Gymnasium ein. Foto: Stadt RE